Du sollst backupen Teil 2: Ein Blick hinter die Kulissen von Kroll Ontrack Datenrettung

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Wie ich bereits im ersten Artikel zur Serie berichtete, habe ich ja dummerweise meine externen Festplatten zerschossen. Passend hat Kroll Ontrack auch gerade ein Top 10 der Desaster 2012 veröffentlich. Der zweite Beitrag gewährt euch nun einen Blick hinter die Kulissen von Kroll Ontrack, dem weltweit führenden Dienstleister und Technologieführer für Datenrettungen. Für diesen Anbieter hatte ich mich entschieden, um eine Datenrettung durchführen zu lassen.

Kroll Ontrack blickt bereits auf ein Know-how von über 20 Jahren zurück. Jährlich werden über 50.000 erfolgreiche Datenrettungen durchgeführt, wie hoffentlich die auch meiner Festplatten. Allerdings bedient Kroll Ontrack in erster Linie auch Businesskunden, da eine solche Datenrettung nicht immer preiswert ist. Schaut man sich allerdings den Aufwand an, der mit solch einer Rettung verbunden ist, rechtfertigt sich dieser Preis recht schnell.

Der Blick hinter die Kulissen hat mir die Komplexität einer solchen Festplatte gezeigt, wie sensibel ein solches System ist und das man sogfältig mit seinen Daten und der Hardware umgehen sollte. Besonders in der Infografik von Hitachi wird sehr deutlich, in welchem Verhältnis der Lese- und Schreibkopf über die Magnetoberfläche gleitet.

Ich nehme euch jetzt einmal mit auf eine Tour durch einen solchen Prozess und stelle die einzelnen Stationen kurz vor.

Step 1: Auftragsannahme
Bevor die Festplatte zu Kroll Ontrack geht muss zunächst ein Formular ausgefüllt werden. Hierbei sind Angaben zur Festplatte, dessen Inhalt und dem Problem zu machen. Wichtig ist hier eine detaillierte Beschreibung, sodass die Datenretter möglichst gezielt vorgehen können. Denn oft ist es der letzte Anlauf der Festplatte, der über ein erfolgreiches Gelingen entscheidet und somit sind die vorherigen Angaben wichtig, um die richtigen Maßnahmen einzuleiten.

Wichtig als „Geschädigter“ ist zudem die Festplatte nicht selbstständig zu öffnen oder zu reparieren. Viele Mythen halten sich hartnäckig in Foren, dass teils durch einen Austausch der Elektronik eine Reparatur wieder möglich sei. Doch weit gefehlt. Jede Festplatte ist ein Unikat und kann nicht einfach durch Austausch einzelner Elektronikkomponenten repariert werden. So werden bspw. in einen Chip auf der Festplatte Kalibrierungsdaten geschrieben, die für jede Platte unterschiedlich sind. Zudem ist eine genaue Ausrichtung des Lese- bzw. Schreibkopfes hinterlegt. Und wie wir schon in der obigen Grafik gesehen haben geht es hier um wenige Nanometer! Wer also selbst Hand anlegt riskiert einen unwiderruflichen Datenverlust.

Step 2: Festplatte auslesen
Im zweiten Schritt wird je nach Zustand der Festplatte diese auf den Server ausgelesen oder an Step 3 überreicht. Zum Auslesen verwendet Kroll Ontrack ein extra entwickeltes Tool, das die Sektoren der Festplatte 1:1, unbeachtet ihrer logischen Struktur, ausliest. Hierbei analysiert die Software bereits auch die Qualität der vorhandenen Daten. Sollte die Datenqualität schlecht sein, kann auch noch punktgenau zu fehlerhaften Stellen gesprungen werden und diese noch einmal intensiver untersucht werden.

Ist die Festplatte erfolgreich auf dem Server ausgelesen geht es mit Step 4 weiter. Gab es Schwierigkeiten oder ist die Platte erst gar nicht mehr angelaufen geht es zu Step 3.

Step 3: Reinraum, Labor und Werkstatt
Ist die Festplatte nicht mehr lauffähig oder gab es beim vorherigen Auslesen der Festplatte erhebliche Fehler, wird die Festplatte im Reinraum einer genaueren Betrachtung unterzogen. Zuerst habe ich mir den Reinraum etwas spektakulärer Vorgestellt, habe mich dann aber über die Spezifikationen und Anforderungen belehren lassen. Auf jeden Fall ist keiner mit einem weißen Ganzkörperanzug dort rumgelaufen.

Was wird nun hier gemacht? Das Ziel in der Abteilung ist es natürlich wieder einen physischen Zugriff auf die Festplatte zu bekommen. Hierzu werden die Festplatten behutsam auseinandergenommen und bei Bedarf einige Teile der Elektronik getauscht. Das Unternehmen greift hierzu auf ein riesiges Ersatzteillager zurück, das monatlich mit den aktuellsten Festplatten gefüllt wird. Prämisse ist es aber, die Festplatte so original wie möglich zu erhalten und keine anderen Teile zu verbauen, da diese, wie bereits Eingangs gesagt, komplett unterschiedlich sein können, obwohl es sich nach der Bezeichnung her um die gleiche Festplatte handelt.

So werden also in jedem Einzelfall auch Sonderlösungen gebastelt, um die Originalteile zu erhalten. Unter der Lupe und mit viel Feingefühl werden hier einzelne Chips wieder festgelötet oder Kabelverbindungen wieder provisorisch hergestellt. Es war erstaunlich zu beobachten, in welchen kleinen Dimensionen sich dies alles bewegt und wie umfassend ein solcher Job ist. Man wird jeden Tag mit neune Situationen konfrontiert und muss individuelle Lösungen entwickeln.

Traurig finde ich an dieser Stelle jedoch die mangelnde Unterstützung der Hersteller. So wurde mir berichtet, dass im großen und ganzen die Hersteller ihre Angaben und Verschlüsselungen nicht freigeben, sondern auf ihren Ross sitzen und die Fehlerhaftigkeit ihrer Festplatten nicht anzweifeln lassen wollen. Einzig und allein Intel sei in dieser Hinsicht wohl kooperativ. Auch die Festplatten bspw. werden auf dem freien Markt bezogen und nicht über den Hersteller eingekauft. Ferner rücken die Hersteller einzelne Ersatzteile raus. Kann ich nicht verstehen. Aber weiter im Text.

Ist ein Zugriff auf die Festplatte im Reinraum gelungen, wird auch hier wie in Step 3 ein 1:1 Image der Festplatte auf dem Server erstellt. Dann geht es weiter zu den Jungs (in der Technik habe ich zumindest keine Frauen erblickt) in Step 4.

Step 4: The Brain
Wie bereits erwähnt, werden die Daten 1:1 von der Platte gelesen, ohne die logische Struktur. Sprich, man hat am Ende einen Haufen Einsen und Nullen. In Step 4 wird den Daten wieder eine logische Struktur eingehaucht, sodass man am Ende wieder „normale“ Daten bzw. Dateien hat. Dieser Prozess wird ebenfalls durch eine eigens entwickelte Software unterstützt, erfordert aber dennoch viel Know-how und Erfahrung der Mitarbeiter. Besonders bei komplexen Raid System wird das Zusammensetzten der Daten immer umfassender und aufwendiger.

Als ich einen Blick auf den Monitor geworfen habe, habe ich keinen Stich gesehen. Es ist viel Handarbeit nötig und es wird einem nicht einfach eine GUI-Oberfläche angezeigt, auf der man mal eben schnell alles visualisieren kann.

Gelingt die Rekonstruktion der Daten allerdings wieder in eine logische Struktur, werden im besten Fall dann die Ordnerstrukturen und Daten wieder sichtbar. Hierin liegt die Kunst in in Step 4. Denn allein das Daten auslesen auf den Server ist noch keine Garantie dafür, dass die Daten auch alle wiederhergestellt werden können.

Step 5: Aufbereitung für den Kunden
In Step 5 werden die wiederhergestellten Daten auf ein neues Medium kopiert und dem Kunden wieder übergeben bzw. zurück gesandt.

Fazit
Ich hoffe ich konnte euch hiermit ein wenig den Weg einer Datenrettung aufzeigen. An vielen Stellen wird deutlich, dass es ein sehr aufwendiger Prozess ist, der viel Erfahrung und Wissen auf diesem Gebiet voraussetzt.

Umso kritischer sind jetzt noch die vermeidlichen Schnäppchenangebote im Internet zu sehen, die mit Halbwissen und Spaß an der Freude versuchen die Festplatte zu reparieren. Wer wirklich noch Interesse an seinen Daten hat, sollte sie einem seriösen Unternehmen anvertrauen, die wirklich auch Erfahrung auf diesem Gebiet haben und dies auch nachweisen können.

Zudem habe ich noch die Erkenntnis gewonnen, dass man nicht auf SSD Platten setzten sollte. Diese sind noch wesentlich schwerer wiederherzustellen und auch die Erfolgsquote ist hier geringer. In einer SSD Festplatte befinden sich mehrere Speicherchips, die zu einem Raid zusammengefasst sind. Hieraus erklärt sich auch die Performance. Doch wenn einer dieser Chips kaputt ist, kann schon oft keine Wiederherstellung erfolgen. Zudem sind die Daten in den Chips mehrfach verschlüsselt. Durch die mangelnde Kooperationsbereitschaft der Hersteller gibt es hier auch wenige Möglichkeiten diese auszulesen. Im Umkehrschluss heißt das, dass sich die Festplatten aufgrund ihrer Performance gut als Systemplatte eigenen, aber nicht zur Abspeicherung wichtiger Daten.

Schlusswort
Backupen niemals vergessen!

In Teil 3 dieser Reihe werde ich auch dann die kommenden Tagen von dem Ergebnis meiner Datenrettung berichten, die dann hoffentlich positiv verlaufen ist.

Und hier noch einmal die komplette Reihe

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